Und warum du trotzdem meditieren solltest.
Meditation und Achtsamkeit sind bei uns angekommen. Aus der Welt entrückter Klöster fanden sie ihren Weg in unsere oberflächliche, laute, auf Erfolg, Funktion und Konsum getrimmten westliche Welt, in der sich alles permanent beschleunigt und komplexer wird. Sie wurde von ihrem traditionellen spirituellen Unterbau losgekoppelt, strukturell gereinigt, in ihre Einzelteile zerlegt und danach wieder nach Gesichtspunkten der leichten Zugänglichkeit, der Verbreitungsmöglichkeit und vor allem der Wirksamkeit zusammengesetzt.
Was Forschung herausgefunden hat:
Die Untersuchungsergebnisse diverser Forschungsteams bestärken uns in der Hoffnung, endlich ein Gegenmittel zu all dem Stress, Burnout und der durch die Pandemie auf die Spitze getriebene Sinnleere gefunden zu haben.
Unzählige positive Effekte werden der regelmäßigen Meditation mittlerweile zugeschrieben und in Zeitschriften, Blogs, TV und YouTube propagiert, ja nahezu marktschreierisch versprochen. Einige dieser Verheißungen habe ich nun exemplarisch zusammengetragen, im Wortlaut leicht verändert, damit sich der jeweilige Verfasser nicht auf den Schlips getreten fühlt.
Meditation hilft dir deine Ziele zu erreichen.
Diese Behauptung wird dann mit einer Aufzählung diverser Promis untermauert, die ihren Erfolg unter anderem einer konsequenten Meditations-Routine zu verdanken haben. Durch die Meditation hätten Stars wie Hugh Jackman oder Oprah Winfrey gelernt ihre Aufmerksamkeit zu schärfen, Ablenkungen auszublenden und sich ausschließlich auf ihre Ziele zu fokussieren. (Alles Qualitäten die, nebenbei angemerkt, wohl auch Scharfschützen erfolgreicher machen.)
Flankiert wird dies dann meist noch von diversen Studien, die eine dichtere Vernetzung im präfrontalen Cortex nachweisen konnten, dem Teil des Gehirns, der für Impulskontrolle und komplexe Handlungen zuständig ist.
Meditation hilft dir dein Wunschgewicht zu erreichen.
Die besagte Impulskontrolle hilft dann natürlich auch bei dem Vorsatz abzunehmen. Zitiert werden dann Metaanalysen von Studien, die letztlich zu dem Schluss kommen, dass Meditation nachhaltiger zu schlanken Körpern führt, als Sport und das Kalorienzählen.
Meditation verlangsamt dein Altern.
Die durch die Meditation hervorgerufene Stressreduktion soll die stetig fortschreitende Verkürzung der Telomere in den Zellen bremsen und so für ein längeres Leben sorgen.
Meditation steigert deine Kreativität.
Weil Meditation dem Stress den Garaus macht und uns unbeschwerter denken lässt, soll sie natürlich auch ein enormer Motor unserer Kreativität sein. Untermauert wird dies oft mit einer Studie von George Land, die zu dem Ergebnis kam, dass nur 2% der Erwachsenen schöpferisches Potential aufweisen, wobei unter den fünfjährigen Kindern angeblich 98% hochbegabt sein sollen. Dies deckt sich zwar nicht unbedingt mit meinen Beobachtungen, aber egal. Eltern lesen so etwas gerne und es soll schließlich auch verdeutlichen, wie sehr wir durchs Heranwachsen unsere Schöpfungskraft einbüßen, wenn wir sie denn nicht durch Meditation zurückgewinnen.
Außerdem wird Meditation als Alternative zu Therapien in folgenden Bereichen empfohlen:
Stress
Angststörungen
Depressionen
Schlafstörungen
Das Glücksempfinden steigern
Positives Denken fördern
Beziehungen verbessern
Steigerung der kognitiven Fähigkeiten
Wie es scheint, ist Meditation die Lösung all unserer psychischen Probleme mit denen wir uns spätestens seit dem Einzug der Digitalisierung, Social Media, oder zeitlich noch kürzer gefasst, mit dem Beginn der Corona-Pandemie herumschlagen müssen. Endlich werden wir wieder, gelassener, kreativer, freundlicher und vor allem produktiver. Kaum jemanden scheint es zu verwundern, wie schnell wir thematisch wieder bei der wirtschaftlichen Verwertbarkeit all dieser positiven Effekte angekommen sind.
Meditation bringt nichts!
Ich betreibe keine wissenschaftlichen Studien zu dem Thema. Dennoch wage ich nach über zehn Jahren Meditationserfahrung den Widerspruch und schreibe es gerne nochmals: Meditation bringt nichts! Meditation ist!
Es stellt natürlich ein gewisses Paradox dar, dass wir umso leichter in einen meditativen Zustand geraten, je absichtsloser wir die Sache angehen. Meditation, Achtsamkeit ist nahezu nichts anderes, als das absichtslose Fokussieren, das Nicht-Anhaften an Gedanken, das Aufgehen im momentanen Sein, das Auflösen der Grenzen zwischen Beobachtungsobjekt und Beobachter, kurz gesagt: Jener Zustand, der nur unzulänglich beschreibbar ist, weil er in jenen Regionen stattfindet, die unserer Sprache nicht zugänglich sind. Diese sprachliche Unzugänglichkeit bedeutet jedoch nicht, dass man diesen Zustand nur schwer und nur als fast schon Erleuchteter erreichen kann. Im Gegenteil: Meditieren ist unter bestimmten Voraussetzungen ganz einfach. Die wesentlichste aller Voraussetzungen dabei ist aber die Absichtslosigkeit.
Was haben Meditation und Einschlafen gemeinsam?
Auch wenn die beiden Zustände nicht miteinander zu verwechseln sind und deren Unterschiede überwiegen, möchte ich folgenden Vergleich anbringen:
In Bezug auf die Absichtslosigkeit verhält sich die Meditation wie das Einschlafen. Egal wie alt du bist: In jenen Nächten wo sich der erholsame Schlaf einfach nicht einstellen will, dir die ganze Zeit Sorgen oder die bevorstehenden Aufgaben des folgenden Tages durch den Kopf gehen, wird dir bewusst, dass du immer noch nicht weißt, wie Einschlafen überhaupt geht. Eines wird dir aber in deiner Verzweiflung nach spätestens ein paar Stunden des ruhelosen Herumwälzens im Bett klar: Je mehr du dich anstrengst einzuschlafen, umso unruhiger wirst du. Wenn du schließlich vor lauter Erschöpfung doch einschläfst und am nächsten Tag aufwachst, wunderst du dich, wie leicht es schließlich doch gewesen war einzuschlafen. Obwohl du immer noch nicht sagen kannst, was du letztlich getan hast, um Schlaf zu finden. Klar wir haben Formulierungen wie: “Ich habe einfach losgelassen…”, aber kann man sich aktiv vornehmen mental loszulassen? Kann man also absichtlich absichtslos sein?
Wie wird man absichtlich absichtslos?
Genau in dieser sprachlichen Widersprüchlichkeit befindet sich auch der Eingang zur Meditation. Der Trick den Schlüssel zu diesem Eingang zu finden, besteht lediglich darin, den Widerspruch nicht gedanklich (sprachlich) auflösen zu wollen, sondern sich in der Zwischenzeit einfach mit etwas anderem zu beschäftigen, am besten mit etwas vollkommen langweiligem wie z.B. der Beobachtung des eigenen Atmens. Die Feinheit liegt auch hier darin, dass wir uns nicht auf das Atmen konzentrieren, sondern den Atem passiv beobachten. Da gleiche tun wir mit Gedanken, die uns dabei in den Sinn kommen. Wir beobachten sie beim Kommen und bei Gehen, machen aus ihnen jedoch keine Story.
Das ganz funktioniert freilich nur, wenn wir es möglichst passiv, ohne wahrnehmbare Absicht angehen und nichts verhindert diese Haltung mehr als Erwartungen.
Wenn uns also die Forschung und unzählige Autoren von Ratgeberliteratur davon vorschwärmen, welche fantastischen Vorteile das Meditieren und die Achtsamkeit verursacht, wird eine enorme Erwartungshaltung hervorgerufen. Der angehende Meditationsschüler, malt sich schon in allen Details aus, wie er durch seine frisch erlangte Gelassenheit und Kreativität im Job all seine Kollegen aussticht, wie harmonisch plötzlich seine Beziehungen verlaufen werden und welche Bewunderung man seiner geheimnisvollen Erhabenheit entgegenbringt. All diese Erwartungen werden dazu beitragen den Zustand der Meditation immer unerreichbarer werden zu lassen. Daher begnügen sich letztlich viele mit der oberflächlichen Pose. Sie lassen dann in kaum einem Gespräch unerwähnt, dass sie nun meditieren und decken sich mit Räucherstäbchen und Klangschalen ein. (Wobei ich gegen beides nichts einzuwenden habe, wenn sich eben nicht nur Accessoire sind.)
"Denke nicht an einen rosa Elefanten!"
Erwartungshaltung verhindert Meditation. Zwar sind all die zuvor aufgeführten positiven Auswirkungen von Meditation sicher beobachtbar und nachweisbar, sie zu erreichen darf jedoch nicht der Grund sein, mit dem Meditieren zu beginnen.
Was tun wir nun aber, wo wir schon von all den Vorteilen gehört und gelesen haben und sie uns überhaupt erst auf die Idee gebracht haben, selbst mit dem Meditieren zu beginnen? Wie können wir unsere Erwartungen wieder ausblenden? Verhält es sich hier nicht so wie mit dem paradoxen, viel zitieren Auftrag: “Denke nicht an einen rosa Elefanten”?
Mitglieder von Kulturen in denen die Meditation traditionell verankert ist, tun sich da leichter. Sie beginnen zu meditieren, weil man das eben tut, nicht weil man sich etwas wirtschaftlich verwertbares davon erwartet.
7 Wege um der Erwartungsspirale zu entkommen
Was kannst du also tun, wenn Erwartungen deiner Meditation im Weg stehen? Mir fallen dazu folgende sieben Vorschläge ein:
Hör auf Studien, Erfolgsberichte über Meditation zu konsumieren! Widerstehe einfach der Versuchung dem nächsten Link mit ähnlichen Titeln wie: “Warum du noch heute mit dem Meditieren beginnen solltest” oder “Wie du durch Meditation glücklichere Beziehungen führst”.
Nimm lieber an, dass Meditieren nichts bringt und tu es aber trotzdem! Wir alle wissen, wie wichtig Schlaf ist und es lassen sich über die Vorteile gesunden Schlafes ebenso viele Beiträge finden. Dennoch schlafen wir ganz selbstverständlich jede Nacht ein, selbst wenn wir nie von diesen Vorteilen gehört oder gelesen hätten. Wir schlafen einfach, weil es uns ein Bedürfnis ist.
Behalte für dich, dass du meditierst! Oder binde es zumindest nicht jedem auf die Nase. Wenn dir deine Meditations-Praktik vollkommen selbstverständlich und für dich unverhandelbar werden soll, bringt es nichts ständig jedem davon zu erzählen. Klar gibt es Menschen, die sich mit ihren Mitmenschen auch gerne über die eigene Verdauung unterhalten. Man kackt aber deswegen um keinen Deut besser!
Übe dich mehr in Meditation, als dass du darüber liest und nachdenkst! Viele Menschen verwechseln das Studium zum Thema Meditation mit dem Meditieren selbst. Spar dir die Zeit und zieh dich einfach zum Meditieren zurück!
Fang möglichst einfach an, aber fang an! Such dir eine möglichst einfache Meditations-Technik für den Anfang aus. Ein Bodyscan und Atembeobachtung für zehn Minuten täglich sind für den Beginn sicher ausreichend. Probiere ruhig ein paar Meditations-Apps aus und bleib beim Meditieren auf einem Stuhl sitzen.. Dies ist keineswegs zu profan. Schließlich willst du das Meditieren lernen und nicht Folklore fremder Kulturen imitieren.
Die Regelmäßigkeit ist dabei von größerer Bedeutung als die Länge der einzelnen Sitzungen.
Solltest du zu Beginn deiner Meditationsübung eine Affirmation brauchen, so sag dir: “Meditation bringt nichts! Ich tu es trotzdem!”
Was kannst du also tun, wenn Erwartungen deiner Meditation im Weg stehen? Mir fallen dazu folgende sieben Vorschläge ein:
Hör auf Studien, Erfolgsberichte über Meditation zu konsumieren! Widerstehe einfach der Versuchung dem nächsten Link mit ähnlichen Titeln wie: “Warum du noch heute mit dem Meditieren beginnen solltest” oder “Wie du durch Meditation glücklichere Beziehungen führst”.
Nimm lieber an, dass Meditieren nichts bringt und tu es aber trotzdem! Wir alle wissen, wie wichtig Schlaf ist und es lassen sich über die Vorteile gesunden Schlafes ebenso viele Beiträge finden. Dennoch schlafen wir ganz selbstverständlich jede Nacht ein, selbst wenn wir nie von diesen Vorteilen gehört oder gelesen hätten. Wir schlafen einfach, weil es uns ein Bedürfnis ist.
Behalte für dich, dass du meditierst! Oder binde es zumindest nicht jedem auf die Nase. Wenn dir deine Meditations-Praktik vollkommen selbstverständlich und für dich unverhandelbar werden soll, bringt es nichts ständig jedem davon zu erzählen. Klar gibt es Menschen, die sich mit ihren Mitmenschen auch gerne über die eigene Verdauung unterhalten. Man kackt aber deswegen um keinen Deut besser!
Übe dich mehr in Meditation, als dass du darüber liest und nachdenkst! Viele Menschen verwechseln das Studium zum Thema Meditation mit dem Meditieren selbst. Spar dir die Zeit und zieh dich einfach zum Meditieren zurück!
Fang möglichst einfach an, aber fang an! Such dir eine möglichst einfache Meditations-Technik für den Anfang aus. Ein Bodyscan und Atembeobachtung für zehn Minuten täglich sind für den Beginn sicher ausreichend. Probiere ruhig ein paar Meditations-Apps aus und bleib beim Meditieren auf einem Stuhl sitzen.. Dies ist keineswegs zu profan. Schließlich willst du das Meditieren lernen und nicht Folklore fremder Kulturen imitieren.
Die Regelmäßigkeit ist dabei von größerer Bedeutung als die Länge der einzelnen Sitzungen.
Solltest du zu Beginn deiner Meditationsübung eine Affirmation brauchen, so sag dir: “Meditation bringt nichts! Ich tu es trotzdem!”
Schön auf den Punkt gebracht. Die meisten scheitern mit ihrem überfrachtetem Wissen über Meditation und einer damit einhergehenden unrealistischen Erwartungshaltung. Es dauert lange, manchmal Jahre bis man es so kann das man auch merkt, es hilft mir. Vielen Dank für Ihre wundervolle Arbeit, den Podcast, das Buch und wenn im kommenden Jahr das Online Projekt startet, bin ich dabei!
Großartiger Artikel!